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Zahniportal-Blog

Apollonia, die erste Dental-Influencerin

Die heilige Apollonia bei mir zu Hause über dem Thermostat - Gott sei Dank mit geschlossenem Mund.

Geschätzte Leser,

egal wie schnell man in einem Medizinstudium seinen Glauben verlieren mag, der Klinik-Alltag schafft es immer wieder einem Studenten (und vor allem unseren Patienten) ein Stoßgebet gen Himmel abzuringen. Aber wohin sollte man denn himmelwärts am genauesten zielen? Wen da oben könnte meine abgebrochenen und eingeklemmten Stahlfeilen in allen drei Wurzelkanälen meines Patienten interessieren?

Praktischerweise gilt für Behandler und für Patienten hier der gleiche Ansprechpartner: die heilige Apollonia, die Schutzpatronin der Zahnärzte und Zahnleidenden. Apollonia klingt zwar wie eine Instagram-Influencerin, der Food, Travel und Fashion sehr wichtig sind, ist aber leider nur eine mystisch-historische Figur aus dem 3. Jahrhundert. Was aber macht diese junge Dame so relevant für die Zahnmedizin?

Die frühgeschichtliche Zahnmedizin war schon etwas heiteres. Das Ziehen von Zähnen war nämlich auf der einen Seite die einzige wirklich hilfreiche Schmerztherapie, auf der anderen Seite auch eine ähnlich hilfreiche Foltermethode. So nicht anders während der großen Christenverfolgungen durch die Römer.

Bei einem dieser Pogrome in Alexandria wurde die junge Christin Apollonia aus ihrem Haus vor einen Scheiterhaufen gezerrt. Dort zogen ihre Peiniger ihr die Zähne – in manchen Texten mit der Zange, in anderen – technisch weniger anspruchsvoll – mit der Faust. Ziel war es letztendlich, dass sie dem Christentum abschwöre. Sollte sie dies nicht tun, so würde man sie bei lebendigem Leibe verbrennen.

Apollonia bat um einen Moment der Freiheit. Als ihr dieser gewährt wurde sprang sie schnell freiwillig in die lodernden Flammen und verbrannte – ohne vorher ihrem Glauben abzuschwören.

Die Heldentat dahinter erschließt sich einem nicht wirklich. Selbst in der Kirche wurde lange diskutiert, ob das nun sündiger Suizid oder ein frommes Martyrium war. Im 13. Jahrhundert entschied sich dann der amtierende Papst für zweiteres (O-Ton): "Naja, wir haben ja sonst keinen mit irgendeiner Zahn-Story, und alle jammern hier rum wegen ihrer schmerzenden Faulzähne. Sollen sie halt die anbeten!"

Knapp 400 Jahre später erhielt sie dann ganz offiziell den katholischen TÜV und wurde vom Papst heilig gesprochen. Seither sind ihre Ikonen oft mit einer Zange in der Hand zu finden. Das ist ungefähr so, als würde man Jesus mit einer Nagelpistole in der Hand darstellen. Denkt denn keiner mehr mit?

In Zukunft werde ich also meine Gebete an die hl. Apollonia richten, denn sie würde über drei abgebrochene Feilen in ihren Wurzelkanälen bestimmt nicht jammern.

Weise Grüße,
Euer Moritz