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Zahniportal-Blog

Das Guatemaltekische Dentifest

Geschätzte Leser,

diesen März durfte ich zusammen mit deutschen und US-Zahnärzten im Hochland Guatemalas den Menschen auf den Zahn fühlen. Gab nur ein kleines Problem: es waren kaum noch Zähne da.

Was wir vorfanden glich einem oralmedizinischen Tschernobyl. Am liebsten wären wir mit Hubschraubern über den Mündern gekreist und hätten diese in einem Sarkophag aus Glasionomerzement eingeschlossen.

Das wahre Drama dabei: Das kariöse Massaker erstreckte sich in Kindermündern bereits auf die Erwachsenenzähne. Als ich bei Maria, einer schüchternen, niedlichen 13-jährigen den Unterkiefer screente, hatte ich einen echten Kloß im Hals – 37, 36, 47, 46 waren nicht mehr zu retten. Sie hatte Schmerzen in beiden Seitenzahnbereichen. Die Fistelgänge grüßten auch ganz freundlich mit Eiterspritzern.

Durch die mangelnde Mundhygiene und vor allem dem exzessiven, stetigen „Zuckersaft“-Konsum (als Wasser-Ersatz) schaffen es die Kinder vor Ort in Rekordzeit Karius und Baktus zur absoluten Hochform anzutreiben. In mehreren Gesprächen mit Kindern und deren Eltern zeigte sich das grundlegende Problem rapide: sie haben einfach keine Ahnung! Richtige Zahnausen einfach! Die Gespräche mit den Müttern waren für mich ebenso augenöffnend wie für sie. Durch den Bildungsmangel vor Ort wissen die Menschen weder dass Zucker schädlich ist, noch dass die Natur uns tatsächlich mit nur 2 Sets Zähnen ausgestattet hat. Auch dass Zähne zum Kauen notwendig seien kam für die Guten etwas überraschend. Und die kleine, liebe Maria wird mit 20 leider nicht mehr ordentlich masticar können. Prothetisch lässt sich ein solches Problem vor Ort übrigens unter keinen Umständen beheben. Es tut einfach richtig weh, und ich war tatsächlich ziemlich ergriffen von diesen kindlichen Mundhöllen. Doch wie lösen?

Mein erster Plan war einfach die flächendeckende Fluoridierung von Guacamole. Aber das sei angeblich „schwer umsetzbar“. Tz. Es gibt einfach keine Visionäre mehr!

Plan B ist es nun also die Konzipierung eines Dental Education Programs. Ansonsten gleicht jede Hilfe einem Sisyphos-Kommando. Dabei will ich sowohl Eltern als auch Kindern in 10 Punkten per Leaflet, Lesson und/oder Quiz möglichst effizient über Zahngesundheit innerhalb ihres kulturellen Kontexts aufklären. Hier sind soweit Skizzierungen dessen – ich wäre hocherfreut, falls jemand ein Feedback dazu beisteuern möchte (E-Mail s.u.). Dabei gilt es, sich in die Situation eines absolut, absolut ahnungslosen Menschen (also quasi einem Berliner Abiturienten) zu versetzen. Das Ganze nenne ich „Dentifest“ weil ich selbst in den tragischsten Situationen nicht auf dämliche Wortspiele verzichten mag. Womöglich wird es am Ende eine Version für Eltern und eine für Kinder geben mit vielen Illustrationen. Nun also:

Das Dentifest (work in progress):

1.

Zähne sind das einzige Organ, das unsere tägliche Aufmerksamkeit und Pflege benötigt. Der Rest des Körpers läuft automatisch. Die einzige Aufgabe, die uns unser Körper also überträgt, ist die Pflege unserer Zähne. Gott hat uns diesen Körper geschenkt, also seien wir ihm dankbar und pflegen ihn! (Anmerkung: Guatemalteken sind katholische Ultras. Und wenn die Kirche manipulieren darf, dann darf das auch die Zahnmedizin. Hallejulia!)

2.

Eltern lieben ihre Kinder und sorgen sich um ihre Gesundheit. Auch der Mund und seine Zähne gehören zur Gesundheit – vor allem, weil sich diese als so ziemlich einziges Körpergewebe nie, nie, nie, nie wieder von selbst reparieren können! Zähne haben keine eigenen Heilkräfte – auch Zahnärzte können zerstörte Zähne nur mit andersartigem Material ersetzen und nicht tatsächlich wiederherstellen (falls der Zahn überhaupt zu retten ist, was selten vorkommt). Eltern sollten also immer kontrollieren und wenn möglich nachputzen bis das Kind 9 Jahre alt ist. Je früher man sein Baby an das Zähneputzen gewöhnt, desto besser!

3.

Wir haben nur zwei Zahn-Sätze. Unsere Erwachsenenzähne sind bereits mit 13-14 Jahren alle da und müssen ab da an für den Rest des Lebens, also für mindestens 60 Jahre, halten! Das heißt, sie brauchen ab dem ersten Tag Eure volle Aufmerksamkeit. Ansonsten sehr Ihr mit 25 aus wie Eure Oma oder der Dorfesel. (Anmerkung: Diese beiden Vergleiche fanden die Kinder immer sowohl schockierend als auch superwitzig.)

4.

Im Alter von nur 6 Jahren (!) wachsen uns bereits die ersten Erwachsenenzähne. Die ersten erwachsenen Backenzähne wachsen ganz hinten leicht versteckt und benötigen unsere ganz besondere Aufmerksamkeit, denn sie sind die wichtigsten zum Kauen. Auch die Frontzähne kommen zu dieser Zeit und müssen ein ganzes Leben lang gepflegt werden um schön zu bleiben. Sie sind das erste, worauf wir bei unseren Mitmenschen schauen!

5.

Milchzähne sind nicht zu vernachlässigen! Ihre Funktion besteht darin, die Erwachsenzähne zu lotsen und für sie Platz zu schaffen. Wenn Milchzähne zu früh verlorengehen oder gezogen werden, sorgt das für eine krumme, verengte Erwachsenen-Bezahnung. Krumm stehende Zähne sind dann schwieriger zu pflegen und führen noch mehr zu Zahnfäule. Wer seinem Kind also ein schönes Erwachsenengebiss (vor allem vorne) wünscht, der muss alle Milchzähne bis zum Schluss am Leben erhalten!

6.

Zucker in Getränken wie Cola, (traditionelles Getränk), Naschzeug und Lollipops ist DER Hauptgrund für faulende, zerstörte Zähne. Zucker ist das Lieblingsfutter der Bakterien, die dank der Energie des Zuckers unsere Zähne auffressen. Je öfter man Zucker im Mund hat, desto schlimmer. Es wäre schlauer, Kinder nur sonntags naschen zu lassen (wenn es denn überhaupt sein muss). Viele Kaugummis schmecken süß, haben keinen Zucker und sorgen für eine leichte Zahnreinigung durch Speichel und bilden daher eine mögliche Alternative für Naschmäuler! Wer seinen Kindern nicht Zucker abgewöhnt, der kann sich auf jeden Fall (!) frühzeitig von deren Zähnen verabschieden!

7.

Es gibt keine Warnhinweise für Karies/Zahnfäule/das Auffressen durch Bakterien! Man sieht anfängliche Karies mit dem Auge nicht. Und man bemerkt die Schmerzen erst, wenn es schon zu spät ist. Dann ist der Zahn verloren. Es gilt also den Bakterien immer einen Schritt voraus zu sein! Karies ist schleichend und heimtückisch, und man muss sich mit allen Mitteln dagegen wehren!

8.

Es ist also wichtig, vor allem vor dem Schlafengehen alle Essensreste aus dem Mund zu entfernen - vor allem auch die zwischen den Zähnen (falls möglich, mit Zahnseide)! Dort bleiben Speisereste leider in Nischen hängen und die Bakterien haben einen Vorrat, durch den sie dann die Energie haben die Zähne aufzufressen. (Anmerkung: pH-Werte und Säurebildung kann man im Sinne der Einfachheit getrost auslassen) Morgens muss man dann wieder putzen, weil die Bakterien nachts nicht von Speichel geärgert werden und sich während Ihr schlaft stark vermehren. Wenn das Zahnfleisch beim Zähneputzen blutet, signalisiert der Körper damit: „Putz mich mehr!“. Ihr sollt also an den blutenden Stellen MEHR putzen, nicht weniger!

9.

Wer die frühzeitige Zerstörung der Frontzähne seiner Kinder zulässt, nimmt ihnen die Möglichkeit ein schöner Mensch zu werden. Gesunde Zähne sind sehr, sehr wichtig für die Attraktivität und Außenwirkung. Außerdem sind ungepflegte Zähne der Hauptgrund für starken Mundgeruch! Je gesünder die Zähne, desto höher also die Chancen in Liebe und Beruf, also im ganzen Leben!

10.

Jeder muss ein eigener Zahnarzt sein. Ihr habt nur einmal im Jahr Zugang zu Zahnärzten, und diese können nur das Maß an Zerstörung entfernen, das ihr selbst zugelassen habt. Jeder ist also sein eigener Zahnarzt. Und Eltern müssen die strengen, liebenden Zahnärzte ihrer Kinder sein!

Was denkt ihr? Ist das stellenweise zu viel oder zu wenig Information? Kann man gewissen Facts mit verständlicheren Analogien umschreiben? Wie gesagt, schickt gerne Anregungen und Kritik an moritzmoritzxmichaelde.

Weise Grüße,
Moritz