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Zahniportal-Blog

Es ist nicht alles Holz, was glänzt

Geschätzte Leser,

in keinem anderen medizinischen Beruf wird so viel Wert auf das Wissen verwendeter Werkstoffe gelegt wie in der Zahnmedizin. Während der gemeine Chirurg blauäugig seine Titanprothese stumpf in poröse Hüften klopft, muss der Zahnmedizin-Student die Zusammensetzung und Physik aller verwendeten Werkstoffe auf Molekularebene verstanden haben – zumindest bis zur nächsten Prüfung. Mein absoluter Liebling dabei? Gips. Das langweiligste Calciumsulfat von allen. Gips ja nicht? Gips ja wohl!

Das im Studium verlangte Gips-Know-How geht so weit, dass in unseren Lehrbüchern neben den Herstellungsprozessen (!) unterschiedlicher Gipstypen (inkl. Temperaturen, Gefäßtypen & chemischen Reaktionsgleichungen) auch auf die vier wichtigsten deutschen Gipslagerstätten (u.a. Thüringen) eingegangen wird. Somit sind wir jetzt alle gefeit für einen verheerenden Atomkrieg in Deutschland: eine Schar mutierter Thüringer Zahnmedizinstudenten wird dann in der Lage sein die nationale Gipsproduktion wieder reibungslos weiterführen zu können. Wir sind gerettet! Lang lebe die Approbationsordnung!

In der Vergangenheit war die Auswahl dentaler Werkstoffe etwas pragmatischer. Historische Prothesen, wie die des ersten US-Präsidenten George Washington, sprechen Bände: Seine Dritten waren – ganz typisch für diese Zeit – ein buntes Flickwerk aus Blei-Zinn-Legierungen, Nilpferd-, Pferd-, Esel-, oder Kuh-Zähnen, Leichen- oder Sklavenzähnen (frisch extrahiert von lebenden Sklaven). Sonderlich „bunt“ blieb dieses Flickwerk aber nicht lange, denn dieser Zahnersatz ist so dermaßen schlammbraun angelaufen, dass über Jahrhunderte der Mythos bestand, die Zähne des Gründervaters seien aus Holz gewesen! Wow, da muss sogar die Prothese aus meinem ersten Physikumsversuch besser ausgesehen haben …

Gelegentlich wurde dieser Frankenstein’sche Zahnersatz für einen besseren Halt zusätzlich aufgetuned mit rostigen Sprungfedern. Wie unbequem diese Apparatur gesessen haben muss ist historisch erstaunlich allgegenwärtig festgehalten: die eingefallenen Lippen und die Anspannung der Perioral-Muskulatur auf dem One-Dollar-Bill sprechen für immer Zeugnis davon. Die Worte des Präsidenten wurden zudem auch noch stets begleitet von einem gelegentlichen Quieken & Knarzen der Federn. Das wirft wiederum die Frage auf, wie ausgeprägt eigentlich das Charisma eines Mannes sein muss, der die britische Krone besiegt und eine Nation neu gründet, obwohl er mit jedem Wort quietscht als ob er gerade auf einem frittierten Halloumi-Käse nagt?

Man sieht: es ist also nicht alles Gold was glänzt, weder in Präsidenten-Mündern noch im Lehrplan eines Zahnmedizin-Studiums. Aber im Gegensatz zu den mythischen „wooden teeth“ von George Washington sind manche unserer Lehrinhalte tatsächlich durch und durch hölzern.

Weise Grüße,
Moritz