Ausländische Studierende im Blick
Mit der Studie „Sprachkompetenzen und Studienerfolg bei Bildungsausländern“ (SpraStu) haben sich Lenhard und seine Leipziger Kollegin Dr. Katrin Wisniewski (Linguistik) viel vorgenommen: Sie wollen 600 Studierende mit ausländischen Wurzeln bis zu drei Jahre lang begleiten und dabei die Hürden identifizieren, vor denen die jungen Leute im Studium stehen. Das Projekt beginnt im Wintersemester 2017/18. Mit dem Ausdruck „Bildungsausländer“ sind Studierende gemeint, die ihr Abitur oder eine vergleichbare Qualifikation außerhalb von Deutschland gemacht haben.
Doktorandin rekrutiert Studienteilnehmer
In Würzburg arbeitet Doktorandin Jennifer Seeger maßgeblich an der Studie mit. „Wir wollen in einer ersten Runde 100 nichtdeutsche Bachelor-Studierende dafür gewinnen“, erläutert sie. Über das International Office und das Zentrum für Sprachen sucht sie derzeit nach Studienteilnehmern; im November sollen die ersten Erhebungen beginnen.
Dreimal will Seeger die ausländischen Studierenden treffen. Dabei möchte sie unter anderem herausfinden, wie gut sie das Deutsche beherrschen und welche Art und Weise des Studierens sie gewohnt sind. Auch soziale Faktoren werden abgefragt – um zu erfahren, wie gut die Studierenden integriert sind. „Wir möchten zum Beispiel wissen, ob sie an Lerngruppen teilnehmen“, so Seeger.
Wer die deutsche Sprache nicht wirklich gut versteht, hat es schwer, an einer deutschen Universität Mathematik, Germanistik oder Wirtschaft zu studieren. Das liegt auf der Hand. Zwar müssen alle Bildungsausländer vor dem Studium einen Test durchlaufen, die „Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang“. Doch es ist nicht gesagt, dass jeder, der den Test besteht, tatsächlich auch gut mitkommt, wenn zum Beispiel in einem Seminar in Fachsprache diskutiert wird.
Andere Studienkultur als mögliche Hürde
Doch selbst sprachlich exzellente Studierende könnten im deutschen Hochschulsystem scheitern, sagt Professor Lenhard: „Etwa dann, wenn die hiesige Studienkultur für sie ungewohnt ist.“
In Spanien zum Beispiel sei das Studium verschulter als in Deutschland. Zwar seien die Studierenden nach der Bologna-Reform auch hierzulande nicht mehr so frei wie in den 1990er-Jahren, doch können sie weiterhin Schwerpunkte setzen und Veranstaltungen auswählen. „Sie müssen sich selbst gut strukturieren können“, erläutert Lenhard.
Bildungsausländer oder Geflüchtete aus weit entfernten Ländern hätten das in ihren Bildungssystemen oft nicht gelernt.
SpraStu will auch Hilfen erarbeiten
In einer fremden Sprache zu studieren, wird immer eine Herausforderung bleiben. Das Forschungsteam aus Leipzig und Würzburg will im Zuge der Studie auch Hilfen entwickeln, die es Studierenden aus anderen Ländern etwas einfacher machen, im deutschen Hochschulsystem zurechtzukommen. „Das ist vor dem Hintergrund der Internationalisierungsstrategien wichtig“, sagt Lenhard: Hochschulen möchten weltoffener werden und heißen ausländische Studierende willkommen. Schon jetzt stammt fast jeder zehnte Würzburger Student aus einem anderen Land.
Das Projekt in Leipzig und Würzburg wird mit 870.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Angesichts der Tatsache, dass viele ausländische Bachelorstudierende vorzeitig aufgeben, ist es Lenhard zufolge geradezu erstaunlich, dass die Gründe für das Scheitern noch unzureichend untersucht sind. Bisher spielte es in der Hochschulforschung offenbar nur eine untergeordnete Rolle, wie ausländische Studierende in Vorlesungen klarkommen.
Lernszenarien mit Studierenden durchsprechen
Schon für ihre deutschen Kommilitonen sei es oft nicht einfach, den Ausführungen der Lehrenden zu folgen, wenn gleichzeitig eine Präsentation mit umfangreichen Textblöcken läuft. Soll man lesen, was der Beamer an die Wand wirft? Oder mitschreiben, was der Dozent sagt? „Solche Szenarien präsentieren wir unseren Studienteilnehmern und fragen sie nach ihren Lösungsstrategien“, erklärt Lenhard.
Den Inhalt einer Präsentation im Kopf in die Muttersprache zu übersetzen und aufzuschreiben, werde wenig bringen. Denn womöglich sagt der Dozent in dieser Zeit etwas Wichtiges, das nicht in der Präsentation steht. Dann lieber zuhören und sich auf Deutsch Notizen machen. Wer gar nicht mitkommt, kann ja später noch mal auf den Dozenten zugehen.
Kulturelle Unterschiede berücksichtigen
„Doch auch das ist für internationale Studierende oft nicht leicht“, meint Seeger. Die Doktorandin denkt zum Beispiel an junge Leute aus Asien. Für sie seien Dozenten Respektspersonen, die man mit lästigen Fragen gefälligst verschont.
Dass man in Seminaren an deutschen Hochschulen lebhaft Ideen diskutiert und um Lösungen ringt, sei für diese Studierenden ungewohnt. Für die Lehrenden sei es darum sehr wichtig, solche kulturellen Unterschiede zu kennen und im Uni-Alltag zu berücksichtigen. So könnten sie vielleicht dazu beizutragen, dass mehr ausländische Studierende zum Abschluss kommen.