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Universitäten und Hochschulen besorgt um ihre Zukunftsfähigkeit

Bild: Gratisography.com / Ryan McGuire

Gegenwärtig werden im Land die Eckpunkte der künftigen Hochschulfinanzierung verhandelt. Eine neue Vereinbarung soll ab Januar 2021 den jetzigen Hochschulfinanzierungsvertrag ersetzen. Jetzt schlagen die Rektorinnen und Rektoren in großer Übereinstimmung Alarm: Neue Entwicklungen lassen befürchten, dass sich die schwierige Finanzierungsituation aller Hochschularten weiter verschärfen wird.

Bisher haben die Hochschulen und Universitäten die gestiegenen Studierendenzahlen der vergangenen Jahre vor allem mit temporären Programmen und Zusatzbelastungen bewältigt. Dadurch haben sich die Rahmenbedingungen für die Studierenden und die Forschung stetig verschlechtert und die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich erschwert. Gleichzeitig sagen die Prognosen der Kultusministerkonferenz bis 2030 eine unvermindert hohe Nachfrage an Studienplätzen an den baden-württembergischen Hochschulen voraus. Deshalb schlagen die Universitäten und Hochschulen unisono Alarm: Ohne ausreichende Finanzierung müssen spätestens im Jahr 2021 Einsparungen durch die Reduktion von Leistungen erfolgen, signifikante Qualitätseinbußen müssen dann in Kauf genommen werden. Dies bedeutet auch, dass Studienplätze in größerem Umfang zur Streichung anstehen könnten.

Um die klaffende Finanzierungslücke zu schließen, fordern die Spitzen der Rektorenkonferenzen das Land zu folgenden Maßnahmen auf:

  1. Die Erhöhung der Grundausstattung aller Hochschulen um mindestens 1.000 Euro je Studierendem und Jahr, unter anderem zur
    • Verbesserung der Betreuungsrelationen und Sicherung der Studienqualität,
    • Digitalisierung von Forschung und Lehre,
    • Verbesserung der Infrastruktur,
    • Finanzierung neuer Aufgaben, wie Innovation, Förderung der Gründerkultur, Weiterbildung, Transfer, Internationalisierung;
  2. Die Überführung der Ausbauprogramme in die Grundhaushalte der Hochschulen;
  3. Die jährliche Dynamisierung der Etats um drei Prozent zum Ausgleich der allgemeinen Kostensteigerung, insbesondere beim Personal, den die außeruniversitären Forschungsinstitute im Land bereits seit Jahren erhalten;
  4. Eine transparente und gerechte Weitergabe aller Mittel aus dem kürzlich zwischen Bund und Ländern geschlossenen „Zukunftsvertrag Studium und Lehre“ an die Hochschulen nach den vereinbarten vertraglichen Kriterien, ohne Sonderabzüge durch das Land:
  5. Hochschulautonomie beim Einsatz der Mittel, um die Hochschulen in der Weiterentwicklung ihres Studienangebots und ihrer gesellschaftsrelevanten Leistungen zu stärken.

„Baden-Württemberg muss jetzt die Weichen für die Zukunft stellen“, sagte der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Universitäten, Prof. Dr. Bernhard Eitel. Wenn man nicht konsequent in die Universitäten und Hochschulen investiere, werde dies mittel- und längerfristig für das Land schmerzhafte Konsequenzen haben. Die Wirtschaftskraft sei zwar gegenwärtig hoch, könne das aber nur bei beständiger Innovationsleistung bleiben. „Hochqualifizierte Absolventen und Forschungsleistungen sind die Schlüsselfaktoren, um den anstehenden Strukturwandel zu bewältigen. Wenn die Landespolitik diese Aufgabe vernachlässigt, wird Baden-Württemberg in zwanzig Jahren auf der Empfängerseite des Länderfinanzausgleichs stehen.“

Bisher hat das Land die Zahl der Studienplätze zwar ausgebaut, dabei aber erwartet, dass die Studierendenzahl nach Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs und der Abschaffung der Wehrpflicht wieder abnimmt. Entgegen früherer Voraussagen werden in den nächsten zehn Jahren die Studierendenzahlen weiter auf hohem Niveau bleiben.

„Es gibt keine Alternative zur Verstetigung des Studienplatzangebotes bei der prognostizierten hohen Nachfrage“, erklärte der Vorsitzende der Rektorenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, Prof. Dr. Bastian Kaiser, „und die Hochschulfinanzierung muss an die gewachsenen Studierendenzahlen angepasst werden. Wir fordern für jeden Studierenden zumindest das Finanzierungsniveau, das wir in Baden-Württemberg im Jahr 2007 hatten.“

Prof. Dr. Stephan Dabbert, stellvertretender Vorsitzender der Rektorenkonferenz der Universitäten und Rektor der Universität Hohenheim, sagte: „Trotz steigender Ansprüche an die Qualität der Lehre bekommen wir an den Universitäten ein Drittel weniger Geld pro Studentin bzw. pro Studenten vom Land als vor 20 Jahren. Diese Lücke – die in ähnlicher Weise auch die HAWen betrifft - muss schrittweise geschlossen werden. Sichtbare Schritte, um dies zu erreichen sind nun notwendig.“

Prof. Dr. Gerhard Schneider, Rektor der Hochschule Aalen und stellvertretender Vorsitzender der Rektorenkonferenz für angewandte Wissenschaften, erläuterte: „Die Hochschulen haben in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben übernommen, ohne dafür zusätzliche Ressourcen zu erhalten. Die zusätzlichen Studienangebote durch die Einführung der Bachelor- und Master- Abschlüsse oder der Wissens- und Technologietransfer sind nur Beispiele dafür, was die Hochschulen heute bewältigen. Während Ausgaben für andere Bereiche gestiegen sind, sind die Mittel laut einer Berechnung des MWK pro Studierenden und Jahr um 1500 EUR seit 2001 gesunken. Das Ministerium hat jetzt die Verantwortung, das Finanzierungsniveau des Hochschulsystems zu korrigieren und den drohenden Kollaps im System abzuwenden.“

Gemeinsam fordern die Vertreter aller Hochschularten, dass Baden-Württemberg im Landeshaushalt einen Schwerpunkt auf den Erhalt der Zukunftsfähigkeit des Hochschulsystems setzt. Der Anteil von Hochschulen und Wissenschaft an den Landesausgaben ist in den letzten Jahren geringer geworden. Eine bedarfsgerechte Finanzierung des Hochschulsystems würde einen Zuwachs ihres Anteils am Landeshaushalt um weniger als ein Prozent bedeuten und die dringend notwendige Trendumkehr zugunsten von Bildung und Innovation bewirken. Baden-Württemberg muss auch in Zukunft ein Wissenschaftsstandort und Bildungsland bleiben.

Sachinformation

In der Landesrektorenkonferenz der Universitäten (LRK) sind die neun Landesuniversitäten mit über 170 000 Studierenden, ca. 2.800 Professor*innen, 29.500 Wissenschaftler*innen und 41.000 Beschäftigten organisiert.
In der Rektorenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW BW e.V.) sind die 21 staatlichen Hochschulen und drei kirchlichen HAW zusammengeschlossen. Sie vertritt damit die Interessen von rd. 3.000 Professor*innen, über 100.000 Studierenden und mehr als 10.000 Beschäftigten.
Der gemeinsame öffentliche Appell der beiden Rektorenkonferenzen, dem sich auch die anderen Hochschularten (Pädagogische Hochschulen, Duale Hochschule sowie Kunst- und Musikhochschulen) mit nahezu gleichlautenden Forderungen angeschlossen haben, ist ein bis dato einmaliger Vorgang. Er unterstreicht aus Sicht der Universitäten und Hochschulen den Ernst der Lage.

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