„Wir behandeln Menschen, nicht nur Zähne!“
Bei Ina Schüler gibt es viele interessante Utensilien: Dusche, Schlürfi, Starkmachcreme, zum Beispiel. Wenn Schüler mit ihren kleinen Patienten spricht, nutzt sie eine ganz eigene Sprache, ein ganz besonderes, ein positives Vokabular. Da ist eben nicht die Rede von Bohrer, Sauger oder Fluoridlack. Die Kinder sollen sich vorstellen können, was gleich auf sie zukommt und vor allem sollen sie von Anfang an ein gutes Gefühl beim Zahnarzt entwickeln.
Schüler gehört zur Sektion Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde in der Poliklinik für Kieferorthopädie des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde am UKJ. Sie kennt das gesamte handwerklich-zahnärztliche Leben, von der eigenen Praxis bis zur konservierenden Erwachsenenbehandlung. Dass sie sich letztlich auf die Kinderzahnheilkunde spezialisiert hat, bereut sie keinen Tag: „Die Behandlung von Kindern macht mir richtig Freude! Ich glaube, das spüren meine kleinen Patienten und auch deren Eltern", sagt Schüler.
Unverzichtbar: Einfühlungsvermögen und
Spontaneität
Dass das so ist, liegt nicht nur an Schülers kindgerechter Sprache. Sie schafft das mit ihrer ganzen Verhaltensführung, ihrem Einfühlungsvermögen – und mit einer guten Portion Selbstsicherheit. Sie kann gut einschätzen, ob Kinder echte Schmerzen haben oder ob sie sich vor dem Unbekannten fürchten. Ob sie besänftigend auf die Kinder einwirken muss oder es mal eine deutliche Ansage braucht. Und sie reagiert spontan auf alle möglichen Situationen: Mal ist die Unterstützung der Eltern gefragt, mal nutzt sie die Neugierde des kleinen Bruders und lässt ihn auf den Zahnarztstuhl krabbeln. Da ist es auch keine Seltenheit, dass ein Baby ihr bereitwillig seine zwei Zähnchen zeigt und Schüler beim Verlassen des Zimmers glücklich anlächelt. Eine schöne Belohnung für die tägliche Arbeit.
Noch mehr zurück kriegt sie bei ihrer Leidenschaft: Mit Herzblut setzt sich Schüler ein, um die Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen mit gesundheitlichen Einschränkungen zu verbessern. Mit ihrer Forschung und in ihrem Praxisalltag. So sind in ihrer Sprechstunde Kinder und Jugendliche mit Behinderungen herzlich willkommen – keine Selbstverständlichkeit, denn die Behandlung dieser Patienten erfordert ein Mehr an Empathie, Zeit und Können. „Da muss Therapiesicherheit da sein“, weiß Schüler. „Ich muss sehr straff entscheiden, was möglich ist und was nicht, und ich muss alles tun, damit die Behandlung klappt und schnell geht.“ Schließlich bedeute es für die Patienten oft eine große Anstrengung. „Aber sie versuchen, so gut wie möglich mitzumachen – und davor habe ich größten Respekt.“
Engagement bei den Special Olympics
Genau das ist auch der Grund, warum sich Schüler über ihren Praxisalltag hinaus bei den „Special Olympics“, den olympischen Spielen für Menschen mit geistiger und Mehrfachbehinderung, engagiert. Seit 2012 ist sie regionale Koordinatorin für das Mundgesundheitsprogramm. „Die Athleten versuchen immer, ihr Bestes zu geben. Warum sollen nicht auch wir geben, was wir können?“, findet Schüler. Klar, bei den Wettbewerben geht es vor allem um Sport und Spaß. Sie bieten aber auch eine wunderbare Gelegenheit, die Teilnehmer medizinisch durchzuchecken. Und die packt Schüler gern beim Schopf. Etwa vier bis fünf Mal im Jahr finden regionale Wettkämpfe statt. Mindestens einmal im Jahr bietet Schüler dabei das Mundgesundheitsprogramm „Special Smiles“ an. Neben der zahnmedizinischen Untersuchung bekommen die Athleten hier ein individuelles Putztraining. „Wir betreuen da alle Altersgruppen, ab zwölf bis zu 50-Jährigen. Und nicht nur die Sportler, sondern auch die mitgereisten Supportgruppen“, berichtet sie. „Es ist einfach immer wieder ein tolles Erlebnis und die Freude der Teilnehmer ist ansteckend.“ Das überträgt sich auch auf ihre Kollegen – und auf den zahnärztlichen Nachwuchs, den sie mit zu den Wettkämpfen nimmt. „Die sollen ruhig Blut lecken – und Berührungsängste abbauen.“
Überhaupt ist es Schüler wichtig, ihren Studierenden nicht nur die Kinderzahnheilkunde, sondern auch die Behandlung von Menschen mit Behinderung „schmackhaft“ zu machen – und ihnen gutes Rüstzeug mit auf den Weg zu geben. „Es gibt nicht die eine geistige Behinderung, sondern eine Vielfalt, auf die man sich einlassen muss“, weiß Schüler. Daher vermittelt Schüler nicht nur in Vorlesungen wichtiges Grundwissen, sondern bindet die Studierenden aktiv in die Behandlung ein. Pro Kurs sollen die Studenten mindestens ein bis zwei Menschen mit Behinderung mitbetreuen. „Es ist ganz wichtig, dass die Studierenden diese besonderen Behandlungen machen. Sie sollen schließlich nicht einfach Zähne, sondern Menschen behandeln.“